Vom „Depp mit der Cap“ zur „Sensation am Mikrofon“

08/05/2011

Pietro Lombardi gewinnt DSDS

Vom „Depp mit der Cap“ zur „Sensation am Mikrofon“

Vom Teilzeit-Jobber zum „Superstar“: Mit Pietro Lombardi machte nicht der „hellste“ Kandidat das Rennen. Dafür lässt sich der 18-jährige „Depp mit der Cap“ am besten vermarkten.

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von Benedikt Herfs
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Ganz zum Schluss dieser müden achten Staffel gab es ihn dann doch noch: den großen Moment. Pietro Lombardi sang den Finalsong, über ihm ergoss sich ein silberner Schnipselregen. Nach den ersten Takten zog er Sarah Engels auf die Bühne. Verloren stand die 18-Jährige Arm in Arm mit dem neuen „Superstar“ im Licht der Scheinwerfer. Fast schien es, sie sei betrunken und müsse gestützt werden, so schwankend und verwirrt schaute sie immer wieder herum. Es war das Bild eines Paares, das gerade nach einer durchgefeierten Nacht aus einem Club kommt. Der Clown und das Mädchen von nebenan: Die Party ist vorbei, der Kater kann kommen.

Der heißt für den Sieger Dieter Bohlen. Der Produzent wird sich mit Lombardi am Mittwoch in sein Studio in Tötensen zurückziehen und seine Pop-Plaste zusammenrühren. Die ist wie immer so cool und komplex wie ein Couchtisch von Ikea. Der Bohlen-Song „Call My Name“, den die beiden Finalisten singen mussten, hat keine musikalische, sondern nur eine Geschäftsidee: an die Spitze der Charts zu springen. Alles andere hätte überrascht. Genauso, wie wenn der Plan fehlschlagen würde. Schon kurz nach der Freischaltung des Stücks – wahlweise gesungen von Lombardi oder Engels brachen etliche Downloadportale wegen Überlastung zusammen. Dieter Bohlen ist nicht der „Schutzheilige der Popmusik“, wie Marco Schreyl behauptete. Er ist vielmehr der Dr. Mabuse der Megahits: Wie ferngesteuert halten die Menschen Mist plötzlich für Musik.

Bohlen wedelt mit dem Scheckheft

Dass das „DSDS“-Finale zur großen Bohlen-Show werden würde, hatte sich schon vorher abgezeichnet, als er verkündete, bei der nächsten Staffel nicht mehr mit Fernanda Brandao und Patrick Nuo zusammen arbeiten zu wollen. Der Firmenpatriarch bestellt sein Unternehmen frühzeitig neu, um die ohnehin fetten Erlöse noch fetter zu machen.

Am Samstagabend war er nicht mehr der Nachwuchscoach, dem manchmal wirklich an der künstlerischen und menschlichen Entwicklung der Kandidaten gelegen ist. Jetzt, auf der Zielgeraden zum Marktplatz, wedelte er mit dem Scheckheft. Eine halbe Million Euro würde für einen „Superstar“ mindestens herausspringen, schnalzte er mit der Zunge und setzte nicht ohne Geifer hinzu: „In der nächsten Staffel, kriegt derjenige, der hier aufschlägt, eine garantierte Summe von 500.000 Euro.“ Worauf diese Garantie genau gründen soll, verriet er nicht.

Dass dem Buchhalter Bohlen, wie er behauptete, jeder der beiden Finalisten als Gewinner recht gewesen wäre, mag man ihm sogar abnehmen. Sarah Engels sei ein „Kämpferherz mit einer Riesenstimme“ und eine „verlässliche Partnerin“, die morgens um Punkt acht im Studio stehen würde. Pietro Lombardi hingegen sei „der verrückteste Superstar, den wir je hatten, mit einem großen Wiedererkennungswert.“

Engels fehlte der Gossengeruch

Vom Stiltyp her ist Lombardi Bohlen bestimmt näher. Mit der schlichten Frohnatur aus Karlsruhe („Schmetterlinge sind ganz schöne Vögel“) lassen sich fluffige Strandhits à la Mark Medlock produzieren. Die spektakuläre Stimmgewalt von Sarah Engels würde Bohlen allein schon kompositorisch vor schier unlösbare Probleme stellen. Außerdem fehlt ihr der im „DSDS“-Drama so beliebte Gossengeruch. Der Jury-Präsident: „Unsere Show ist ja auch dafür da, aus so kleinen Losern und Swarowskistein-Klebern Gewinner zu machen.“ Das ist wieder einmal gelungen.

Nicht einmal vier Prozent allerdings trennten die beiden Kontrahenten beim Telefonvoting voneinander. Dieses knappe Ergebnis spricht für das musikalische Gespür der Zuschauer. Denn Lombardi, der „Depp mit der Cap“ (Bohlen), ist zwar der größere Sympathieträger mit einer riesigen Fangemeinde, er kann Engels aber sonst in keinerlei Hinsicht das Wasser reichen. Das machte eines der beiden Duette gestern, in vollendetem Kitsch als Hochzeitsthema inszeniert, deutlich. Lombardi brummte bei „We’ve Got Tonight“ mehr mit und machte einzig durch die Adidas-Streifen auf seinem Zylinder auf sich aufmerksam, während seine Partnerin die Oktaven rauf- und runterorgelte. So ging es fast den ganzen Abend: Sie machte die Arbeit, er kratzte sich am Kopf.

Und dann stand sie ganz zum Schluss Arm in Arm mit ihrem Freund, den alle nur für einen Clown halten, auf der Bühne und war fix und alle und guckte furchtbar verloren. Spätestens am Mittwoch wird ihr hoffentlich aufgehen, dass das Glück viele Orte kennt. Tötensen gehört nicht unbedingt dazu.

benedikt.herfs_rz@web.de